Kommunalpolitische Erklärung der SPD-Fraktion am 07.11.2023
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Cohn,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Brenner,
sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Bildung und Gesundheit – das sind aus meiner Sicht elementarste Aufgaben des Staates für seine Mitbürger. In manchen Ländern (wie etwa in Skandinavien) genießen sie höchste Priorität, in manchen Ländern, denen wir gerne auch erklären, wie Menschenrechte richtig anzuwenden sind, da sind Bildung und Gesundheit sogar kostenlos für die Staatsbürger zu haben. Soweit will ich gar nicht gehen. Nur bei uns in Deutschland sind beide Systeme gnadenlos unterfinanziert.
Sie werden jetzt zu Recht sagen, Bildung ist Aufgabe des Landes. Richtig – und wie das Schulsystem in Baden-Württemberg abgewirtschaftet wird, das ist verheerend (darauf möchte ich jetzt auch nicht weiter eingehen).
Gesundheit ist Aufgabe von Bund und Ländern, das Krankenhauswesen ist auch Aufgabe der Landkreise – nicht jedoch Aufgabe der Kommunen. Daher finde ich das auch falsch, einen jährlichen städtischen Zuschuss für das KKH Leonberg in Erwägung zu ziehen. Das ist ein Fass ohne Boden! Tiefer möchte ich in meiner heutigen Erklärung jetzt jedoch nicht auf die aktuelle Krankenhaus Diskussion eingehen.
Falls wir aber bereit sind, trotzdem Geld in die Hand zu nehmen, um jungen Familien nachhaltig zu helfen, dann sollten wir uns (gemeinsam mit dem Landkreis) aufmachen, um im KKH Leonberg selbst oder in dessen unmittelbarem Umfeld ein kinderärztliches medizinisches Versorgungszentrum zu etablieren und dafür auch eine Anschubfinanzierung zu leisten.
Das würde jungen Familien über viele Jahre hinweg die Sorge nehmen, mit kranken Kindern stressige und kilometerweite Fahrten zu unternehmen oder überhaupt einen Kinderarzt zu finden, der bereit ist, die unerlässlichen „U-Untersuchungen“ noch durchzuführen. Wir können uns gut vorstellen, dass es im Rathaus eine pfiffige Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter gibt, der temporär die Akquise von geeigneten Kinderärzten übernimmt. Natürlich könnte dieses MVZ perspektivisch auf weitere medizinische Fachrichtungen (Orthopädie, Kardiologie, …) ausgeweitet werden, in denen bei uns niedergelassene Ärzte fehlen.
Die Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe der Stadt müssen angesichts ihrer Bedeutung künftig wieder gemeinsam mit dem Kernhaushalt eingebracht werden. Besonders die Stadtwerke (SWL) bereiten uns große Sorgen – und dies übrigens nicht erst seit ein paar Monaten. Sie verantworten – finanziell und strukturell - essentielle Bereiche für die Stadt, u.a. die Wasserversorgung, den ÖPNV, die Parkhäuser und sie müssten sich eigentlich viel stärker um Zukunftsthemen, wie das Wärmenetz kümmern.
Nicht nur der Umfang ist inhaltlich mit dem vorhandenen Personal nicht zu stemmen, vielmehr wurden auch Bereiche in die SWL hineingedrückt, die finanziell dort nicht kompensiert werden können. Zuletzt die Bäder. Unsere Priorität war hierbei weniger steuerlich motiviert, sondern wir wollten klare Hierarchien und Verantwortlichkeiten schaffen. Auch dies ist bislang aus verschiedenen Gründen nicht gelungen.
Eine Analyse der SWL hat kürzlich den Handlungsbedarf mehr als deutlich gemacht. Wir benötigen dringend – neben den schon von der Verwaltung vorgeschlagenen Stellenbesetzungen und unabhängig davon, ob und wann ein Erster BM (oder Erste BM’in) wieder im Amt ist, einen Branchenkenner (oder eine -kennerin) als kfm. Geschäftsführer(in), um die erkannten Defizite rasch aufzuarbeiten und die SWL zukunftsfähig aufzustellen.
Teil dieser SWL sind wie erwähnt zwischenzeitlich auch unsere Bäder, die uns bekanntlich sehr am Herzen liegen. Sie bieten Lebensqualität, sportliche Betätigung und ermöglichen Schwimmen zu lernen. Hohe finanzielle Defizite (für 2024 lt. vorliegendem vorläufigem Plan: über 3 Mio.€ - gegenüber 2022 eine Steigerung um satte 750T€) und hoher Energieverbrauch sind offensichtlich. Wir haben schon vergangenes Jahr eine Reihe von Vorschlägen gemacht, wie zusätzlich Energie gespart werden könnte, die auf wenig Gegenliebe gestoßen sind.
Daher bringen wir nun heute Ideen ein, wie im Umfeld der beiden Bäder zusätzliche nachhaltige Energie zum Eigenverbrauch produziert werden könnte, um damit das wirtschaftliche Ergebnis zu verbessern. Auch wenn die Dachausrichtung des Hallenbades auf den ersten Blick nicht ganz optimal sein mag, schlagen wir vor, dort eine Photovoltaikanlage (ggf. auch Solarthermie) zu installieren, Ebenso könnten Teile der Parkflächen beim Leobad überdacht und in ähnlicher Form genutzt werden.
Ein weiterer Eigenbetrieb der Stadt, von dem wir vergangenes Jahr noch hofften, er wäre vom Management her in guten Händen, das ist die Stadthalle. Dass Sanierungsbedarf grundsätzlich vorhanden ist, das war bekannt. Erkenntnisse darüber, welches Ausmaß der zwischenzeitlich erlangt hat, verdanken wir Herrn Streib, der diesen in mühsamer Kleinarbeit offengelegt hat.
Was nun umgehend folgen muss, das ist die bauliche und inhaltliche Neuaufstellung der Stadthalle. Ohne eine zeitnahe Wiederbesetzung der Geschäftsführungsposition wird dies nicht gelingen. Wir bekennen uns zur Stadthalle als kulturellem Fixpunkt in der Stadt, alles andere, ob alte Schuhfabrik oder neue Kulturfabrik ist finanziell schlicht nicht leistbar.
Das Herumgeeiere um die Alte Schuhfabrik sollten wir beenden und das Areal der Wohnbebauung zuführen. Ein idealer Ort für die Innenentwicklung. Die Veräußerung reduziert zudem vermutlich unverhältnismäßig hohe laufende (Energie-) Kosten und erleichtert die künftige Straßenführung an einer ganz neuralgischen Stelle.
Liebe Zuhörer, ich komme nun zu zwei Themen, die alle Jahre wieder Teil meiner Haushaltsrede sind. Das erste ist die Stadtsauberkeit. Gut – es hat jetzt einmal eine stadtweite Putzaktion stattgefunden, die diesen Namen auch verdient. Gleichwohl ist da noch viel Luft nach oben. Auch was begleitende Maßnahmen betrifft. Hierzu haben wir in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Anregungen geliefert, ich möchte Sie damit heute nicht weiter behelligen.
Was sich in keiner Weise gebessert hat, sind die wilden (Haus-) Müllablagerungen an Containerstandorten, an hinlänglich bekannten neuralgischen, weil schlecht einsehbaren, Örtlichkeiten. Auch wenn formal der Abfallwirtschaftsbetrieb des Kreises zuständig sein mag, so betrifft das doch vor allem unsere Stadt. Dabei handelt es sich aus unserer Sicht zwischenzeitlich nicht mehr nur um Ordnungswidrigkeiten, sondern in Einzelfällen durchaus um Straftaten (nämlich dann, wenn gestohlenes Material entsorgt wird). Unseres Erachtens würde das – endlich – auch den Einsatz von Überwachungskameras rechtfertigen.
Das andere Dauerthema im Zuge der Haushaltsreden, das sind die von der Verwaltung regelmäßig gewünschten Personalmehrungen. Diesmal geht es in der Summe um zusätzliche ungefähr 16 Stellen in der Kernverwaltung (mit einem Volumen von deutlich über 1 Mio.€ p.a.) und 4 bei den Stadtwerken. Gleichzeitig gibt es in der Verwaltung eine ganze Reihe derzeit nicht besetzter Stellen.
Hierzu habe ich schon Ende September einige Fragen gestellt (nur um Beispiele zu nennen: Kann die Personalabteilung diese Vielzahl von Stellenausschreibungen kapazitätsmäßig bewältigen? Ist ausreichend Platz vorhanden, um den neuen MitarbeiterInnen ein konstruktives Arbeitsumfeld zu schaffen?). Die sehr ausführlichen Antworten hierauf haben wir nun gestern, 26 Stunden vor der heutigen Sitzung, erhalten. Daher werde ich heute nicht tiefer darauf eingehen.
Gleichwohl ist die Rückendeckung des Gemeinderates, genehmigte, aber derzeit nicht besetzte, Stellen schnellstmöglich wieder zu besetzen, ja unstrittig.
Klar ist aus Sicht der SPD – Fraktion auch, dass es zusätzlicher Arbeitskräfte bedarf, um die Folgen dieser verkorksten Grundsteuer Reform der Landesregierung „auszubaden“ oder dass angesichts der stetigen Zunahme an städtischen Immobilien auch mehr Arbeit im Gebäudemanagement anfallen wird. So offensichtlich ist der zusätzliche Personalbedarf jedoch nicht überall. Daher auch die Nachfragen an die Verwaltung…
Brisant ist die Lage sicherlich im Bürgeramt (übrigens nicht nur in Leonberg). Handlungsbedarf ist offensichtlich, schlussendlich sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort die Visitenkarte der Stadt ihrer Bürgerschaft gegenüber. Termine zu erhalten ist nicht einfach. Kein Wunder angesichts einer hohen Fluktuation (mit der Konsequenz regelmäßig Neue einarbeiten zu müssen) und derzeit zweier nicht besetzter Stellen. Nur – lässt sich das Dilemma auflösen, wenn wir zwei zusätzliche Stellen genehmigen (dann haben wir 4, die nicht besetzt sind)?
M. E. wäre es zielführend, zu analysieren, worin die hohe Fluktuation begründet ist: mangelhafte technische Ausstattung, nicht zeitgemäßes Arbeitsumfeld im historischen Rathaus oder auch nicht angemessene Bezahlung (Stichwort auch: „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“)? Wir wären jedenfalls durchaus bereit, die große Bedeutung des Bürgeramtes auch monetär zu unterstreichen.
Meine Damen und Herren, wir müssen derzeit mit enormen Herausforderungen umgehen, die wir uns noch vor wenigen Jahren kaum vorstellen konnten, wie die beiden Brennpunkte in der Ukraine und im Nahen Osten. Da sind aber immer noch die Corona-Nachwirkungen, die Gastronomie und Einzelhandel ganz besonders treffen. Wie in einem Brennglas erleben wir dies gerade im Leo Center, dem langjährigen Zentrum unserer Stadt.
Befeuert wird dies durch immer mehr, anstatt weniger Bürokratie, erheblichen Fachkräftemangel und von einer immer noch zu hohen Inflation, die beispielsweise unser großes Anliegen, bezahlbaren Erwerb von Wohneigentum für junge Familien in Leonberg zu ermöglichen, zertrümmert hat. Allerdings haben hier auch die Entscheidungsprozesse und das schlichte Erkennen der Problematik an sich in Verwaltung und Gemeinderat viel zu lange gedauert.
Die weiter zunehmenden Flüchtlingszahlen stellen Leonberg, wie fast alle anderen Kommunen in Deutschland auch, vor nicht mehr lösbare Probleme, von noch gelingender Integration ganz zu schweigen.
Umso wichtiger wäre es jetzt, Leonberg für die Zukunft strategisch auszurichten. Aus vielerlei Gründen müssen wir sukzessive und im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten den Stadtumbau vorantreiben. Aber wir waren uns doch einig, dass neben der Priorisierung großer Investitionsvorhaben ein gesamtstädtisches Leitbild zu entwickeln ist. Im Sitzungsplan für nächstes Jahr finde ich aber weder einen Termin für eine dafür notwendige Klausurtagung, ja nicht einmal für die Entwicklung eines neuen, längst überfälligen Flächennutzungsplans.
Angesichts der begrenzten personellen Kapazitäten der Verwaltung haben wir uns heute auf wenige für uns wichtige Fraktionsanträge beschränkt. Einen Antrag haben wir allerdings noch. Der geht aber an die Regierungspräsidentin: Bitte nehmen Sie nun zeitnah Ihre Verantwortung wahr und reffen Sie endlich eine Entscheidung, damit wir wissen, woran wir mit der Position eines Finanz- und Sozialbürgermeisters sind. Eine sorgfältige Prüfung etwaiger Vorwürfe ist selbstverständlich, aber dieses monatelange „auf Zeit spielen“ und das Verstecken hinter personalrechtlichen und anderen Vorschriften schadet der Stadt insgesamt erheblich, vor allem aber verhindert es effiziente Prozesse innerhalb der Verwaltung und strategische Zukunftsthemen bleiben liegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt abschließend sehr viel Redezeit dafür verwandet, über allgemeinere Herausforderungen zu sprechen. Ich wünsche mir angesichts dieser diffizilen Gemengelage, dass wir hier im Gremium, trotz anstehender Kommunalwahlen, weiter an einem Strang zum Wohle unserer Stadt ziehen.
Abschließend möchte ich mich auch im Namen meiner Fraktion bei allen bedanken, die an der Aufstellung dieses Halthalts mitgewirkt haben, insbesondere bei Frau Graeter, die uns ja bedauerlicherweise verlassen wird. Darüber hinaus bedanke ich mich bei allen Anwesenden für das geduldige Zuhören.
Ottmar Pfitzenmaier
Für die SPD – Fraktion im Gemeinderat