Wir im Kreis Böblingen.

SPD im Kreis Böblingen

Haushaltsrede 2009

Veröffentlicht am 01.03.2009 in Gemeinderatsfraktion
 

Haushaltsrede der SPD-Fraktion 2009

Stillstand
Wir alle spüren es: Nach sehr dynamischen 80er und 90er Jahren, in denen nicht nur die Stadtsanierung vorangetrieben wurde, sondern auch die kommunale Kultur aufblühte und neue Arbeitsplätze entstanden, ist das neue Jahrtausend eher von Stagnation und Lähmung geprägt. Die Flut von Gutachten hat weder unser Verkehrsproblem gelöst noch unseren Einzelhandel belebt, wir haben weder ein Kino noch ein Freibad, von einem Museum ganz zu schweigen. Die Nachbargemeinden haben aufgeholt, wir haben als Mittelzentrum verloren. Misstrauen hat sich zwischen Verwaltung und Bürgerschaft eingenistet. Handeln ist nun notwendig.

Wir haben Verständnis dafür, dass Sie, Herr Sprißler, 2009 zu einem Jahr der „Planung und Neuausrichtung“ „Herrenberg 2020“ machen möchten. Sie haben Recht, wenn Sie in Ihrer Haushaltsrede darauf hinweisen, dass in weiten Bereichen der Herrenberger Stadtentwicklung neu gedacht werden sollte, wir halten auch Ihre Schwerpunkte Familie, Betreuung, Bildung und Umweltschutz für richtig gesetzt und wir unterstützen Sie in ihrem Bestreben, die Bürger in den Planungsprozessen mehr zu beteiligen, wir freuen uns, dass inzwischen jeder Bürger innerhalb von 3 Tagen eine Antwort auf ein Anliegen erhält. Es ist in Herrenberg wirklich höchste Zeit, das Verhältnis zwischen Bürgerschaft und ihrer Verwaltung zu verbessern. Wir Sozialdemokraten rufen deswegen alle Bürgerinnen und Bürger auf, nutzen sie die Chance zur Mitwirkung! Wir warnen allerdings gleichzeitig auch davor, die Ergebnisse der Bürgerbefragungen und work-shops als Bürgerentscheide zu interpretieren. Dennoch erfordert Bürgerbeteiligung aus unserer Sicht auch Grundlagen, an denen man entlang diskutieren kann. Gerade auch demokratische Mitwirkung bedarf der Führung durch die politisch Gewählten. Wir hätten uns deswegen in Ihrer ersten Haushaltsrede mehr an der Klarheit gewünscht, die Sie in einzelnen Bereichen, bsp. der Abwasserversorgung, auch unmissverständlich formulieren.
- Was macht für Sie eine „familienfreundliche Stadt“ aus ?
- Was ist eine „kommunale Bildungslandschaft“?
- Welche „Ideen“ erwünschen Sie sich im kulturellen Bereich
- oder wie stellen Sie sich das Verhältnis zwischen Kernstadt und Stadtteilen vor?
Zu zahlreichen zentralen Problembereichen vermissen wir jede Aussage: Wie wollen Sie die Verkehrsdiskussion neu beleben, wie wollen Sie Herrenberg als Einkaufsstandort sichern, wie sollen die alten Wünsche Freibad, Kino oder auch das Museum erfüllt werden, wie wollen Sie den Mitbürgern ein Leben ohne täglichen Lärm in unserer Stadt sichern, welche Funktionen soll die Achse der Stadtentwicklung III erfüllen oder auch wie wollen Sie Herrenberg in der Region positionieren? Wir wollen wie Sie in allen diesen Fragen die Bürger anhören. Wir können aber nicht erwarten, dass die Bürger uns die Lösungen auf den Tisch legen. Die strategischen Ziele und mögliche Lösungsansätze zu entwickeln ist und bleibt eine Führungsaufgabe von Verwaltung und Gemeinderat. 2020 haben Sie sich zum Zieljahr Ihrer Planungen gesetzt, Herr Oberbürgermeister. Das ist gut und richtig, wir brauchen dafür aber ein neues Stadtentwicklungskonzept, das das alte von 1976 erneuert. Wovon können wir heute schon für 2020 ausgehen? Die Zeiten des immer Mehr werden wohl entgültig zu Ende sein. Dies ist die Chance daraus ein immer Besser zu machen.

- Der Einwohnerzuwachs wird deutlich geringer sein. Dennoch: Gerade mittelgroße Städte wie Herrenberg mit einem gesunden und attraktiven Stadtkern sind gefragt. In einer zunehmend unübersichtlicheren und hektisch vorantreibenden Welt suchen die Menschen wieder Heimat, verlässliche soziale Kontakte und eine intakte Infrastruktur vor der Haustür.
- Die Zahl älterer Menschen in unserer Gemeinde wird zunehmen, die Bedeutung der Gesundheitsdienstleistungen wird wachsen.
- Noch mehr als heute müssen beide Elternteile arbeiten und sind damit auf die Betreuung ihrer Kinder angewiesen
- Unsere Wirtschaft wird einen akuten Fachkräftemangel haben. Jedes Kind benötigt dann schon aus diesem Grunde die optimale Bildungsförderung.
- Die Produktivität wird in der zunehmend von Dienstleistungen bestimmten Wirtschaft weiter zunehmen. Arbeit und Freizeit werden immer mehr miteinander verwoben.
- Die Mobilität wird nicht abnehmen, aber in anderen Formen stattfinden: Mehr öffentlicher Nahverkehr, weniger mit Benzin betriebene Autos.
- Viele Haushalte werden ihre Heizölrechnung nicht mehr bezahlen können.
- Extreme Wetterlagen werden auch in Herrenberg die Regel sein, die Klimaveränderungen werden unseren Alltag verändern.
Lassen Sie mich aus unserer Sicht 10 Trittsteine für Herrenberg 2020 formulieren:
1. Herrenbergs Zukunft entscheidet sich in der Kernstadt. Wenn das Herz unserer Stadt nicht funktioniert, werden alle anderen Stadtteile die Störungen spüren.
2. Alles wird davon abhängen der Altstadt als Zentrum unserer Stadt neues Leben einzuhauchen. Dies allein aus der Altstadt heraus zu versuchen, wird nicht gelingen.
Sowohl im Herrenberger Norden als auch im Herrenberger Süden müssen bei Bedarf neue Wohnflächen entstehen, die die Kaufkraft und Infrastruktureinrichtungen der Kernstadt stützen. Modelle wie eine ökologische Mustersiedlung oder ein Pilotprojekt Generationen-Übergreifenden Wohnens könnten verwirklicht werden. Dies sind auch geeignete Flächen wieder günstige Wohnungen für Familien anzubieten, die durch ein Förderdarlehen der Stadt entstehen.
3. Die großen Brachflächen entlang der Schiene (Stadtentwicklung III) sind historisch eine einmalige Chance Funktionen anzusiedeln, die die Altstadt stärken und unterstützen. Die Flächen der S III vom ehemaligen ENBW-Verwaltungstrakt, der ehemaligen Bücherei, dem alten Bauhof und BayWa bis hin zum Reithof sind wie geschaffen, in einer Funktionsmischung innenstadt- und bahnhofsnah Angebote zum Wohnen, Arbeiten und Freizeit anzusiedeln. Ein Kino ist für uns dabei ebenso ein Muss wie auch ein weiterer Treffpunkt für Jugendliche. Die alten Planungen auf dem ehemaligen Stabi-Areal müssen
unter dem Aspekt nochmals überdacht werden, dass wir funktionale Verknüpfungen mit der gegenüberliegenden Seite der Bahn herstellen könnten.
4. Möglichen Investoren auf diesen Flächen erwarten eine Gesamtplanung, die städtebauliche, verkehrliche, kulturelle und andere Fragen in diesem Bereich verknüpft. Das isolierte Überplanen einzelner Areale hat die Umsetzung häufig gebremst. Deswegen regen wir an zu prüfen, ob eine Bewerbung für die Landesgartenschau 2020 in der gesamten Achse von der Reithalle bis hin zur Ammerquelle einen städtebaulichen Schub bringen könnte wie das viele andere Städte erlebt haben.

5. Ob dies alles gelingt, wird auch davon abhängen, ob wir die strangulierende Wirkung der Hauptverkehrsachsen verringern können. Deswegen müssen wir sofort in Verhandlungen treten, um zu ermitteln, ob im Rahmen des Konjunkturprogramms des Bundes Mittel für den Schlossbergtunnel frei werden könnten. Falls wir mittelfristig keine Gelder in Aussicht gestellt bekommen oder sich erweist, dass der Tunnel nicht die nachhaltige Wirkung entfaltet, die wir uns erwarten, müssen wir mit einem neuen Verkehrsgutachter nochmals alles untersuchen, was eine integrative Entwicklung der Flächen entlang der Bahn mit der Altstadt möglich machen könnte. Ziel muss es ein, den Schickplatz so zurückzubauen, dass eine attraktive Wegebeziehung vom Bahnhof zum Marktplatz hergestellt werden könnte. Der Bus, die Radfahrer und die Fußgänger übernähmen dann die Herrschaft in der Innenstadt, Autos könnten an der Stadthalle, in der Mariengarage oder auch in einem neu zu schaffenden Parkhaus im Herrenberger Süden abgestellt werden. Nur so können wir auch die lärmgeplagten Bürger entlang der Achsen wirklich entlasten können. Ob dann noch ein Schlossbergtunnel erforderlich ist, wird man sorgfältig prüfen müssen.
6. Unsere Stadt braucht auch ein moderneres Freibad. Auch wenn es für beide Standort gute Argumente gibt, dürfen wir die Entscheidung nicht länger herausziehen, sondern 2009 treffen. Wir benötigen kein Luxusbad, aber ein zeitgemäßes Schwimmbad für Vereine, Schulen und Bürger gleichermaßen. Wir lassen auch nicht locker, weiter ein städtisches Museum für unsere historische Stadt zu fordern. Der Stiftsfruchtkasten als zweitwichtigstes Gebäude unserer Stadt hat mehr als ein Dahinvegetieren verdient. Wir sind weiter der Auffassung, dass in dieses große Gebäude mehrere Funktionen, durchaus auch private Nutzungen, untergebracht werden sollten. Der Fruchtkasten birgt das Potential zum Magneten für die gesamte Altstadt. Um entsprechende Gelder bewilligt zu bekommen, ist es notwendig, dass wir für dieses „Haus der Museen“ konzeptionelle Überlegungen anstellen. Hier wäre aus unserer Sicht auch ein neuer Ratssaal richtig untergebracht.
Wenn die Bebauungsdichte im Kernbereich unserer Stadt zunimmt, und wir begrüßen das, dann müssen wir aber auch gleichzeitig grüne Lungen der Erholung schaffen. Der Ottosche Garten, aber auch das bisherige Freibadareal oder Flächen in S III könnten einen Beitrag leisten. Kleine Verkehrsrestflächen teuer zu begrünen, halten wir allerdings für nicht hilfreich. Es wird auch Zeit, dass wir das von Stötzer längst vorgelegte Freiflächenkonzept um unsere Stadt herum beginnen umzusetzen. Wie viele wunderschöne Landschaft lädt um Herrenberg zu Bewegung in jeder Form ein, welche Möglichkeiten hätten dann auch unsere Stadtteile, bsp. Gastronomie an den Markt zu bringen. Ein Künstler- oder Erlebnispfad könnten ebenso dazu beitragen.
7. Viele unserer Stadtteile haben sich in den letzten Jahren gut entwickelt. Die Innenbereiche sind saniert, Hallen und Schulen in einen guten Zustand gebracht, die Nahversorgung ist verbessert worden. Dabei haben sie ihr Gesicht bewahren können. Nun müssen wir aufpassen, dass nicht überdimensionierte neue Wohngebiete nicht nur die Entwicklung in der Kernstadt gefährden, sondern auch die Struktur der Stadtteile selbst gefährden. Größenordnungen von 5 – 10 Tsd. Einwohnern, die für die Erhaltung von Infrastruktur erforderlich sind, erhalten wir nur, wenn wir Stadtteilverbünde entwickeln. Mönchberg als kleinster Stadtteil steht dabei vor besonderen Herausforderungen. Wir Sozialdemokraten wünschen uns, dass ein Antrag für die Aufnahme in das Landessanierungsprogramm gestellt wird.

Kindergärten und Schulen sollten in ihrem Bestand trotz zurückgehender Kinderzahlen nicht in Frage gestellt werden. Frei werdende Räumlichkeiten sind für mehr Ganztagesbetreuung und eine Individualisierung der Bildung zu nutzen. Letztlich wird unsere gemeinsame Entwicklung davon abhängen, dass wir alle Herrenberger sind. Über 30 Jahre nach der Eingemeindung muss sie nun auch in unseren Köpfen vollzogen werden. Gleichzeitig wünschen wir uns, dass die Ortschaftsräte in ihren Mitwirkungsrechten gestärkt werden. Wir fordern erneut, dass die Busfahrt in die Stadtteile billiger wird. Wenn die regionalen Buslinien in den NALDO-Verbund kämen, wäre dies erreichbar.
8. Wenn Bildung immer wichtiger wird, dann müssen wir alles dafür tun, dass das einzelne Kind individueller gefördert wird. Weniger Kinder sind eine große Chance dafür. Auch wir als Kommune müssen unseren Beitrag leisten: durch
- mehr Vernetzung und Verzahnung verschiedenster Bildungseinrichtungen
- sorgfältige Evaluation der Maßnahmen zur Qualitätssteigerung in der frühkindlichen Erziehung. Das Modellprojekt der Musikschule mit dem Kindergarten „Singen, Bewegen, Spielen“ muss auch dann fortgeführt und sogar erweitert werden, wenn keine Landesgelder mehr fließen.
- mehr frühkindlichen Betreuungsangebote
- mehr schulische Ganztageseinrichtungen und deren entsprechende bauliche Umgestaltung zu Lebensräumen
- mehr Schulpsychologen und Schulsozialarbeiter müssen die Arbeit der Lehrer unterstützen
- mehr Wahlfreiheiten für die Eltern durch eine Aufhebung der festen Bezirke für die Gymnasien und Realschulen ab dem Jahr 2012.
Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir mit Ihnen, Herr Sprißler, den bereits eingeschlagenen Weg erfolgreich weiter beschreiten. Wenn das Land die Ausbildung der Erzieherinnen zu einem Bachelorstudiengang macht, müssen wir als Gemeinde dies als Chance sehen, eine Berufsakademie oder Fach- Hochschule für Erziehungswesen bei uns anzusiedeln. Wir fordern Ver- handlungen in diesem Sinne aufzunehmen.
9. Die Forderung ist nicht neu, der Handlungsdruck nimmt aber zu. Nachhaltiges Verhalten zeichnet sich dadurch aus, dass man keine Ressourcen dauerhaft verbraucht. Dies als Maßstab genommen, haben wir vor allem beim Bodenverbrauch Schindluder getrieben. Deswegen muss nun wirklich damit ernst gemacht werden, dass wir bei zurückgehender Bevölkerung vorrangig alte, schlecht genutzte Innenflächen für Entwicklungen öffnen und nicht mehr in die Grünflächen gehen. Und wenn wir dies tun, dann müssen wir einen gleichwertigen Ausgleich dafür an anderer Stelle schaffen. Ein Öko-Konto könnte darüber Buch führen. Aber auch beim Energieverbrauch hinken wir weit hinter dem zurück, was wir im Agenda-Prozess als Stadt zugesagt haben. Dabei belegt der jüngst vorgelegte Energiebericht, dass sich Investitionen für das Sparen richtig lohnen. Im Wärmebereich haben wir Erfolge erzielt, beim Stromverbrauch hingegen eher zugelegt. Die Klagen vorwiegend aus den Schulen belegen aber, dass auch in der Wärmeversorgung noch deutliche Verbesserungen zu erzielen sind. Viele private Hausbesitzer, aber auch mittelständische Unternehmer würden gerne Energie sparen, ihnen fehlt aber häufig das erforderliche Kapital oder Fachwissen. Die Stadtwerke müssen hier die Brücke vom Willen zur Umsetzung durch Contracting schlagen. Heute sind sie hiermit sicherlich überfordert. Wir fordern deswegen, dass umgehend Verhandlungen mit Tübingen und Sindelfingen aufgenommen werden, um zu einer Kooperation der Stadtwerke zu gelangen. Häuslesbauer müssen aktiv von der Stadt auf die Einsparpotentiale hingewiesen werden, wenn neue Baugebiete entstehen. Unser Bürgermodell „Sonnendächer“ ist inzwischen dank der hervorragenden Arbeit der Agendagruppe zu einem überregional anerkanntem Modell geworden. Wir dürfen deswegen nicht hinnehmen, dass der Bau weiterer Dächer immer wieder von der Verwaltung gebremst wird. Die Entwicklung des Wasserverbrauchs ist zufriedenstellend. Dennoch unterstützen wir den Oberbürgermeister, wenn er dezentrale Abwassersysteme anstrebt. Wir erinnern daran, dass wir schon vor Jahren aufkommensabhängige Abwassergebühren gefordert hatten. Neue öffentlichen Gebäuden, insbesondere die neuen Aussegnungshallen, müssen Zisternen für das Brauchwasser erhalten.
10. Herrenberg muss, wenn es in der Region Stuttgart mit über 170 Gemeinden als Südtor des Ballungsraumes erkennbar sein will, ein eigenes Profil formulieren. muss sich dabei viel stärker als bisher gemeinsam mit den Städten des Gäuquadrats positionieren, muss auch die Zusammenarbeit im Oberen Gäu suchen, wenn es als Mittelzentrum wieder an Bedeutung gewinnen will. Und weil die Kommunen eine wachsende Bedeutung im geeinten Europa erhalten werden, sind unsere Partnerschaften neu zu beleben und vielleicht um eine weitere Säule, einer Partnerschaft mit einer Stadt unseren großen östlichen Nachbarn Polen, zu ergänzen. Die Ansätze des Stadtjugendringes weisen in die richtige Richtung. In jedem Fall sollten wir die großen Verdienste der bestehenden Partnerschaften anlässlich der Jubiläen so würdigen, dass ein zentraler Platz in unserer Stadt daran erinnert wie wichtig für unseren Wiederaufbau und unsere Stellung in der Welt die Aussöhnung und Verständigung mit den Franzosen war.
Jahr der Investitionen
Nun müssen wir alle diese Aufgaben in einer Situation anpacken, in der keiner in der Haut eines Finanzbürgermeisters stecken möchte. Nie war die Lage unübersichtlicher, selten die Vorhersagen pessimistischer. Gut, dass wir in Herrenberg in den guten Jahren solide Rücklage auf- und beständig Schulden abgebaut haben. Wir haben das getan, was der nun allenthalben wieder neu entdeckte Altmeister der Volkswirtschaftslehre John Maynard Keynes gefordert hat. Wir haben in der Boomphase gespart, nun sollten wir aber auch in der Rezession ausgeben. Weil die Krise erstmals wirklich die ganze Welt trifft, ist die Auslandsnachfrage dramatisch eingebrochen, weil die Aufträge fehlen, investiert unsere Wirtschaft nicht mehr und weil sie Massenentlassungen androht, sparen vorsichtshalber die Konsumenten. Es ist eben nur der Staat, der in dieser Situation Nachfrage schöpfen kann und hier vor allem die Kommunen, weil sie den Großteil öffentlicher Investitionen tätigen. Es sind keine Steuersenkungen, die uns in dieser Lage weiterhelfen, sondern nur öffentliche Investitionen in Bildung, Umwelt oder Infrastruktur, die nachhaltige Wirkung entfalten.
Wir Sozialdemokraten plädieren deswegen dafür, dass wir in Herrenberg unseren Beitrag zur Stabilisierung der Konjunktur beitragen. Wir sollten eine Reihe von Investitionen, die wir mittelfristig vorhatten, vorziehen und dafür unsere Rücklagen schneller aufbrauchen. Wenn wir hierfür auch noch Unterstützung durch das 2.Konjunkturpaket des Bundes erhalten, dann ist dies ein weiterer Grund, 2009 zum Jahr der Investitionen zu machen. Wir denken dabei an die geplanten Sanierungen in der Pfalzgraf-Rudolf-, der Theodor-Schüz-Realschule, des Andreä-Gymnasiums, energetische Sanierungen oder die Schaffung neuer städtischer Wohnungen im Gesamtumfang von ca. 1 bis 1,5 Millionen. Wir betonen, dass wir für dieses

Konjunkturprogramm keine Schulden aufnehmen müssen. Herr Sprißler, das Jahr 2009 muss aus konjunkturpolitischen Gründen auch zum Jahr der Investitionen werden.
Äußerste Sparsamkeit im Verwaltungshaushalt
Größere konsumtive Ausgaben, die langfristig den Verwaltungshaushalt belasten, lehnen wir dagegen ab. Es kann jetzt kein Abweichen von den Sparbeschlüssen, die unter dem schrecklichen Wort „Giftliste“ bekannt sind, geben. Wir halten auch nichts davon, jetzt wieder eine „Stabsstelle“ für einen „Koordinator für bürgerschaftliches Engagement“ zu schaffen. Wir fordern nun nachdrücklich, dass wir endlich eine Vorlage der Verwaltung zum Gebäudemanagement erhalten. Ohne diese Konzeption sind wir nicht bereit die beantragten 2 neuen Stellen im Hochbauamt mitzutragen. Ausdrücklich begrüßen wir dagegen Ihr Vorhaben, Herr Sprißler, die Verwaltung umzustrukturieren. Seit Jahren regen wir an, dass Aufgaben ämterübergreifend projektbezogen wahrgenommen werden und damit flexibler und effizienter bearbeitet werden können. Wir sind gespannt auf Ihre Vorschläge. Für unseren Haushalt unwesentlich, für die Betroffenen und die Stadt aber von großer Bedeutung sind die Förderungen für die Gruppe von Jugendlichen, die das 48er Festival organisieren. Wir schlagen vor, dieses Großereignis in den Rahmen der Sommerfarben aufnehmen, ohne die autonome Organisation der 48er anzutasten. Sie würden hierfür einen Zuschuss der Stadt von 5000 € sowie eine Ausfallbürgschaft bei besonderen Wetterlagen von gleicher Höhe erhalten. Der Antrag der Familienbildungsstätte sollte nochmals im Ausschuss behandelt werden, wenn wir auch die Position der beiden anderen Zuschussträger Kirche und Landkreis kennen. Das Amtsblatt, entstanden in einer Konfrontation mit der heimischen Presse, hat sich in der Zwischenzeit zu einem für viele gleichwertigen Ersatz für Gäubote und Kreiszeitung entwickelt. Damit ist die Existenz der heimischen Blätter und in Folge die unabhängige Berichterstattung über kommunale Ereignisse gefährdet. Hier ist zudem ein unfairer Wettbewerb zwischen einem Blatt, das massiv mit Steuergeldern subventioniert wird und einem privaten Verleger entstanden. Deswegen werden wir alles im Laufe des Frühjahrs daran setzen, diese Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen und eine für die Demokratie unerlässliche unabhängige, kritische Berichterstattung zu sichern. Dies wird zu Einsparungen im Verwaltungshaushalt führen.
Historische Chancen
Wir entscheiden den Haushalt 2009 zu einer Zeit, in der wir nicht wissen, ob es tatsächlich zur größten Rezession seit 1929 kommt, in der wir nicht wissen, wie sich der Arbeitsmarkt entwickeln wird und welche Betriebe es am Ende des Jahres noch geben wird. Noch fehlt uns auch die mittelfristige Perspektive der Planungen von Herrenberg 2020. Dieser Haushalt wird also in jedem Fall ein Übergangshaushalt sein. Das alles darf uns aber nicht dazu verleiten, die eingetretene Stagnation fortzuführen. Damit muss jetzt Schluss sein. Wir haben eine Stadtstruktur, von der viele träumen, wir haben Brachflächen in großer Zahl zum genau richtigen Zeitpunkt, wir haben geordnete Finanzen. In den Zielsetzungen sind sich die Fraktionen im Gemeinderat mit dem OB einig. Die Stimmung ist wieder entspannter, dogmatische Fraktionslinien aufgebrochen. Unsere Bürger werden das Angebot zur Mitwirkung annehmen. Das haben wir auch Ihrem neuen Politikstil, Herr Sprißler zu verdanken. Wir haben nicht mehr allzu viel Zeit, die Weichen für Herrenberg 2020 richtig zu stellen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir diese historische Chance gemeinsam beim Schopfe packen. Das ist unsere Verantwortung, vor allem die des neuen Gemeinderates.

Wir danken der Verwaltung für den vorgelegten Entwurf des Haushalts, der in sehr schwieriger Zeit formuliert werden musste. Wir werden dem Haushalt zustimmen, wenn noch die erforderlichen antizyklischen Signale aufgenommen werden. Bodo Philipsen Fraktionsvorsitzender

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