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SPD im Kreis Böblingen

Neujahrsempfang 2012: Grußwort der Ministerin für Integration des Landes Baden-Württemberg - Bilkay Öney

Veröffentlicht am 21.03.2012 in Reden/Artikel
 


anlässlich
des Neujahrsempfangs des SPD OV Leonberg
am
Mittwoch, 16.02.2012 um 19.00 Uhr
in
Leonberg, Steinturnhalle
Leonberg, Steinstraße
- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Horn,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Von der Heid,
sehr geehrter Herr Abgeordneter Wahl, lieber Florian,
sehr geehrter Herr Kreisvorsitzender Rapp, lieber
Felix, sehr geehrte Frau Fraktionsvorsitzende Weiß, liebe
Christa, sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Genossinnen und Genossen,

Eine rheinische Fastnachtsweisheit lautet: jeder
Jeck ist anders. Das ist in Leonberg genauso. In
Leonberg leben Menschen aus 114 Nationen, die
sich in 12 Vereinen interkulturell organisieren. Darunter
sind 4 griechische Vereine, zwei türkische und
ein italienischer Verein. Seit dem 21. Dezember
2004 werden sie durch den Internationalen Rat der
Stadt Leonberg vertreten. Drei Vereine kümmern
sich um Belange der Bildung, sechs um den kulturellen
Austausch und einer ist ein Sportverein. Und
DITIB unterhält eine Moschee. So gesehen ist die
Stadt Leonberg ein gutes Beispiel für den kommunalen
Umgang mit Integration.
Bevor ich Ihnen unsere Integrationspolitik darstelle,
will ich kurz einen Blick auf die Politik der neuen
Landesregierung werfen.
Mit der Abschaffung der Grundschulempfehlung, mit
der Einführung der Gemeinschaftsschulen und mit
den 444 Millionen Euro, die wir in die Kindertageseinrichtungen
geben, halten wir unser Versprechen
vom Bildungsaufbruch. Wir geben Eltern, Lehrern
und Kommunen die Entscheidung, wie ihre Schule
hier vor Ort in Zukunft aussehen soll. Denn das Zutrauen,
dass vor Ort besser entschieden wird, wenn
es um die Zukunft unserer Schulen geht, das ist
auch Bestandteil sozialdemokratischer Bildungspolitik.
Mit unserem Einsatz für den Mindestlohn auf Bundesebene
und dem Landesprogramm für gute Arbeit fördern wir gute Arbeit in Baden-Württemberg. Der kommende Anspruch auf Bildungsurlaub und das Tariftreuegesetzes, das wir umsetzen wollen, das ist sozialdemokratische Arbeits- und Wirtschaftspolitik.
Auch in der Integrationspolitik bestreiten wir neue Wege; nicht nur mit dem neuen Integrationsministerium,sondern mit dem Grundsatz, die Teilhabe aller – unabhängig von Herkunft – zu verbessern.
Baden-Württemberg ist das Flächenland mit dem
höchsten Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund.
Landesweit hat jeder vierte Einwohner und
jeder dritte Jugendliche ausländische Wurzeln. Wir
können es uns also gar nicht leisten, große Teile der
Bevölkerung auszuschließen. Wir wollen es auch
nicht. In der Stadt Leonberg beträgt der Anteil an Menschen
mit ausländischer Staatsbürgerschaft 15,4
Prozent. Im Landkreis Böblingen sind es 14,4 Prozent.
Am 12. Januar 2012 hat die Integrationsbeauftragte
der Bundesregierung, Frau Staatsministerin Maria
Böhmer, die neuesten Indikatoren zur Integration
veröffentlicht. Auch für Baden-Württemberg lassen
sich signifikante Unterschiede zwischen Menschen
mit und ohne Migrationshintergrund ableiten: Die
Erwerbstätigenquote bei Migranten ist niedriger. Dafür
ist die Arbeitslosigkeit etwa zweieinhalb Mal höher.
Migranten sind ebenfalls mehr als doppelt so
häufig von Armut bedroht.
Diese Zahlen verdeutlichen, vor welch integrationspolitischen
Herausforderungen wir stehen. Aus wirtschaftlichen,
demografischen und gesellschaftspolitischen
Gründen können wir es uns nicht leisten,
diese Unterschiede dauerhaft hinzunehmen.
Deswegen möchten wir die Integrationserfolge in
Baden-Württemberg verbessern und die Integrati6
onsmotivation insgesamt erhöhen. 2012 wollen wir
zu einem Jahr der Integration machen. Zu einem
Jahr des Aufbruchs in eine moderne Integrationspolitik!
Mit der Schaffung des Ministeriums für Integration
wurden 2011 die strukturellen Weichen für eine moderne
Integrationspolitik gestellt. Jetzt gilt es, die
Grundlagen für eine neue Integrationskultur zu
schaffen. Eine Kultur, in der Aufnahmegesellschaft
und Menschen mit Migrationshintergrund den Integrationsprozess
gemeinsam gestalten, in der verschiedene
Sprachen, Religionen und Kulturen friedlich
zusammenleben und in der Minderheiten und
Andersdenkende akzeptiert und respektiert werden.
Es geht um Potenziale und Teilhabe. Es geht um die
interkulturelle und politische Öffnung unserer Gesellschaft.
Es geht um gleiche Chancen und eine
gleichberechtigte Teilhabe auf allen Ebenen. Es geht
um die Vermittlung, dass Migranten in Rechten und
Pflichten der einheimischen Bevölkerung gleichge7
stellt sind. Und es geht um die Einladung, zur weiteren
Entwicklung unseres Landes beizutragen.
Einige zentrale Vorhaben meiner Politik für das Jahr
2012 will ich Ihnen vorstellen.
Bei der interkulturellen Öffnung tragen wir als Land
eine besondere Verantwortung und müssen Vorbildfunktion
übernehmen: der Bevölkerungsanteil von
Menschen mit Migrationshintergrund spiegelt sich in
unserer Verwaltung nicht wieder. Hier haben wir
akuten Nachholbedarf. Wir wollen den Anteil der
Migrantinnen und Migranten bei Auszubildenden und
Beschäftigten in der Landesverwaltung erhöhen. Eine
interkulturelle Öffnung ist zugleich ein Beitrag zu
einer modernen, kundenorientierten und effizienten
Verwaltung. Gut, dass sich auch die Kanzlerin beim
letzten Integrationsgipfel dafür ausgesprochen hat.
Ich freue mich, dass Reinhold Gall, unser Innenminister,
gemeinsam mit mir dieses Jahr ein Pilotpro8
jekt starten wird, um den Anteil der Beschäftigten mit
Migrationshintergrund bei der Polizei zu erhöhen.
Gleichzeitig müssen wir die interkulturelle Kompetenz
bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fördern.
Gerade Personal- und Führungskräfte müssen
wir über Fragen der interkulturellen Öffnung sensibilisieren.
Am 1. April 2012 wird das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz
des Bundes in Kraft treten. Das ist
wirklich Neu! Erstmals besteht ein Rechtsanspruch
auf Prüfung der Gleichwertigkeit ausländischer Abschlüsse.
Ein wichtiger, aber aus unserer Sicht nicht
ausreichender Schritt in die richtige Richtung. Mehr
als 200 Berufe werden durch ein eigenes Landesanerkennungsgesetz
geregelt. In Abstimmung mit
den anderen Bundesländern und den beteiligten
Ressorts im Land werden wir einen Gesetzesentwurf
erstellen und bis Ende des Jahres in die parlamentarische
Beratung einbringen.
Baden-Württemberg ist ein Hochtechnologiestandort
mit einem entsprechenden Bedarf an qualifizierten
Fachkräften. Gerade in der Zuwanderung qualifizierter
Kräfte und in den Potenzialen von Menschen mit
Migrationshintergrund liegen wichtige Impulse für die
Sicherung und Förderung unseres wirtschaftlichen
Erfolgs. Hier müssen wir beim Erkennen und Fördern
vorhandener Potenziale ansetzen.
Der überwiegende Teil der Zugewanderten in Baden-
Württembergaz ist bildungs-, leistungs- und aufstiegsorientiert.
Deshalb werden wir mit Stiftungen
Gespräche führen, um auszuloten, wie wir verstärkt
Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund
Stipendien für ein Studium bereitstellen können.
Auch ausländische Studierende an unseren Hochschulen
sind wichtig. Sie sind die hochqualifizierten Arbeitskräfte von morgen. Wir sollten nicht auf ihr Potenzial verzichten, nur weil das Aufenthaltsrecht zu starr ist. Das ist aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen unsinnig. Die bestehenden rechtlichen Hindernisse wollen wir nach und nachweiter abbauen.
Ein weiteres wichtiges Potenzial für eine erfolgreiche
Integration liegt auch in Unternehmen und Betrieben,
die selbst einen Migrationshintergrund aufweisen. In
Baden-Württemberg sind es rund 100.000 Betriebe.
Gut die Hälfte wäre in der Lage, selbst auszubilden.
Nur 20.000 von ihnen tun das. Gemeinsam mit dem
Ministerium für Finanzen und Wirtschaft wollen wir
deswegen die Ausbildungsbereitschaft und –
Befähigung der migrantischen Betriebe in Baden-
Württemberg steigern. Wir werden die Vernetzung
und den Austausch zwischen ihnen fördern.
Der Gesundheits- und Pflegesektor ist in Baden-
Württemberg ein wichtiger Wirtschaftssektor mit großem
Wachstumspotenzial und einem wachsenden Bedarf an
Personal, das kultursensible Qualifikationen aufweist.
Gerade für Menschen mit Migrationshintergrund bietet
dieser Arbeitsmarkt Chancen für eine gute Beschäftigung.
Denn der demographische Wandel stellt unsere
Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen vor neue Herausforderungen.
In diesem Bereich bringen wir uns mit je 2 Projekten ein.
Meine Damen und Herren,
Baden-Württemberg ist ein modernes, ein weltoffenes
und ein humanes Land. Ein Land, in dessen Kreisen,
Städten und Gemeinde sich Integration Tag für Tag vollzieht.
Rassismus, Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung
haben in unserer Gesellschaft keinen Platz. Gerade für
die grün-rote Landesregierung ist das ein ernsthaftes
Anliegen.
2012 möchte ich bestimmte Themenbereiche stärker
angehen: Durch die Unterstützung der Präventionsarbeit
an Schulen wollen wir Rassismus bekämpfen. Mir ist es ein persönliches Anliegen, dass sich mehr Schulen dem
Projekt „Schulen ohne Rassismus“ anschließen. Denn
eines ist klar: jeder kann jeder Zeit zur Minderheit und
zum Opfer von Rassismus, Menschenfeindlichkeit und
Diskriminierung werden.
Auch möchte ich aktiv und präventiv Zwangsverheiratung,
und zwar bei Frauen und Männern, bekämpfen. Mit
der Förderung von SIBEL und YASEMIN unterstützen
wir zwei Projekte, die landesweite Ausstrahlung haben.
Gleichzeitig suchen wir die Zusammenarbeit mit Terre
des Femmes, um gemeinsame Workshops für Multiplikatorinnen
anzubieten.
Die Debatte um die Integration nimmt die muslimischen
Menschen sehr in den Fokus. Bisweilen geht das zu
Lasten der anderen Bevölkerungsgruppen, aber auch
der Muslime selbst. Gleichwohl müssen wir uns bestimmte
Fragen stellen. Mir ist es wichtig, dass wir mit
und nicht über die Muslime diskutieren. Deswegen werde
ich den „Runden Tisch Islam“ auch 2012 fortsetzen.
In ihm sehe ich ein Arbeitsgremium, das gemeinsame
Lösungsvorschläge erarbeiten soll.
Integration bedeutet auch, dass man Verantwortung für
das Land übernimmt, in dem man lebt. Dass man seine
Rechte und Pflichten nutzt. Wir wollen mehr politische
Teilhabe von Migranten. Das geht nur über die Einbürgerung.
Und wir werben dafür. Als Gesetzgeber sind wir
dabei, die vorhanden Spielräume im Sinne eines attraktiveren
Einbürgerungsrechts zu nutzen. Deswegen haben
wir die Landesvorschriften bei Ermessenseinbürgerungen,
bei den Vorschriften über Zustimmungsvorbehalte
der Regierungspräsidien und bei der Hinnahme
von Mehrstaatigkeit nach unseren Möglichkeiten überarbeitet
und gelockert. Außerdem wollen wir die Verfahren
insgesamt beschleunigen.
Unsere Weltoffenheit wird auch daran gemessen, wie
unser Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern aussieht.
Baden-Württemberg hat in der Vergangenheit sehr
unterschiedliche Signale ausgesendet. Die Flüchtlings14
politik setzte sehr stark auf ein Leitmotiv der Abschreckung.
Ich möchte, dass wir eine Aufnahme- und Unterbringungspraxis
sowie eine Leistungsgewährung erreichen,
die den Bedürfnissen der Flüchtlinge besser gerecht
wird. Ich möchte die gute Arbeit der Härtefallkommission
in Baden-Württemberg fortsetzen und zugleich
für mehr Transparenz sorgen. Erst vor kurzem haben wir
die Residenzpflicht für Flüchtlinge gelockert.
Für den Herbst dieses Jahres streben wir eine Novellierung
des Flüchtlingsaufnahmegesetzes an. Bei der Novellierung
beteilige ich in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe
nicht nur die Fachressorts, sondern auch die
kommunalen Landesverbände, die Liga der freien Wohlfahrtspflege
und den Flüchtlingsrat von Anfang an. Der
Anspruch der Bürgerregierung soll sich auch in diesem
Bereich wiederfinden.
Die Frage, ob wir in der Integration erfolgreich sind und
bestehende Hemmnisse weiter abbauen, entscheidet
sich letztendlich vor allem in den Städten und Gemeinden.
Deswegen haben wir die Fördermittel für die kommunale
Integrationsarbeit auf insgesamt 2 Mio. Euro erhöht.
2012 erhält jeder Stadt- und Landkreis 15.000 Euro -
statt bisher 11.000 Euro pauschale Förderung. Für die
Komplementärförderung kommunaler Integrationsprojekte
wollen wir gemeinsame Schwerpunkte mit den kommunalen
Landesverbänden erarbeiten. Unsere Arbeit
soll Hand in Hand gehen. In diesem Sine: Hand in Hand
in ein gutes und erfolgreiches neues Jahr.
Vielen Dank!

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