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Mobilfunk:Staat und WHO informieren falsch

Veröffentlicht am 01.06.2010 in Presse im Wahlkreis
 

Von Helmut Schilling:KREIS BÖBLINGEN. Im Interview stellte er sich den Fragen der KRZ.

Jörn Gutbier über Mobilfunktechnik und deren Gefahren Mobilfunkstandorte in Gärtringen und Weil im Schönbuch stoßen derzeit auf Widerstand. Der Herrenberger Architekt Jörn Gutbier (42) arbeitet im Bereich der Umweltanalytik und Wohngesundheit, gilt als Kritiker der Netzbetreiber und ist Sprecher des Arbeitskreises Elektro-Smog des BUND Stuttgart.

Derzeit häufen sich in den Kommunen die Klagen über Mobilfunkstandorte. Was hätten die Kommunen schon zu Beginn des Mobilfunk-Zeitalters tun können, um die heutigen Probleme mit der Technik zu vermeiden?

Sie hätten ihre Verbandsvertreter in den kommunalen Spitzenverbänden von Anfang an auf das richtige Gleis setzen sollen. Anstelle auf die Farce der freiwilligen Selbstverpflichtung mit den Mobilfunkbetreibern im sogenannten Mobilfunkpakt I und II einzugehen, hätten sie den Aufbau eines einzigen physikalischen Mobilfunknetzes, welches für alle Anbieter am Markt offen steht, von Anfang an einfordern müssen. Dieses hätte dann kontrolliert und auf Grundlage demokratischer Prinzipien aufgebaut werden können.

Zahlreiche Mobilfunk-Anlagen stehen aber nun. Was können Kommunen unternehmen, um sie an umstrittenen Standorten los zu werden, um bessere Standorte zu finden?

Ende 2008 waren es über 260 000 Sendeanlagen an mehr als 56 000 Standorten. Davon sind dreiviertel faktisch überflüssig, weil sie einzig und allein dem neoliberalen Irrglauben von "Konkurrenz belebt das Geschäft" in einem oligopolen Markt geschuldet sind. Schon in 2003 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung in seiner umfangreichen MINIWATT-Studie das sogenannte Roaming, die gemeinsame Nutzung von Mobilfunksendeanlagen, als Grundprinzip zu Senkung der Strahlenbelastung gefordert - vergeblich.

Jetzt haben wir die Situation, dass jeder Betreiber seine eigene Infrastruktur aufgebaut hat. Das ist genauso schlau, als wenn jeder deutsche Autohersteller ein eigenes Autobahn- und Bundesstraßennetz betreiben würde. Und wenn sich Kommunen nun gegen die bereits vierte Autobahn nach Stuttgart wehren wollen, werden sie von ihren Verbandsvertretungen nicht nur im Stich gelassen, sondern auch noch von den Landesministerien in ihrem Vorsorgeauftrag gegenüber den Bürgern massiv behindert oder sogar zur Unterlassung aufgefordert. Das einzige was Kommunen, nach einem wichtigen Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs von 2007, rechtlich abgesichert tun können, um diesen Antennen-Wildwuchs einigermaßen in die Schranken zu weisen, ist die Erstellung eines Mobilfunk-Vorsorgekonzepts.

Zwei Gemeinden im Landkreis, Gärtringen und Weil im Schönbuch, haben derzeit massive Probleme mit einem neuen Standort des Betreibers O2, der in beiden Fällen Baugesuche eingereicht hat. Was raten Sie den Gemeinden? Oder ist es schon zu spät?

Wir haben beide Gemeinden im Zuge der aktuellen Auseinandersetzung umfangreich beraten und ihnen ihre Handlungsspielräume, wie ich meine, klar und unmissverständlich aufgezeigt. Beide Gemeindeführungen haben es dann leider versäumt, rechtzeitig das Heft der Gestaltungskompetenz aktiv in die Hand zu nehmen. Jetzt ist der Zug weitestgehend abgefahren: Ein Mobilfunkvorsorgekonzept wurde nicht ernsthaft angegangen, der TÜV-Süd durfte in offiziellen Rahmen seine leider nicht mehr aktuellen Informationen zu den bestehenden kommunalen Handlungsmöglichkeiten vortragen, die Gemeinderäte haben dann trotzdem, in rechtlich unzulässiger Weise, ihr Einvernehmen zu den vorliegenden Bauanträgen versagt, welche das Landratsamt nun ersetzen wird. Die Gemeinderäte waschen ihre Hände in vermeintlicher Unschuld und der Bauamtsleiter in Gärtringen wird für seine Arbeits-Vermeidungsstrategie auch noch beklatscht. Fazit: Demnächst wird eine nicht kleine Zahl betroffener Bürger pausenlos durch eines der vier multimilliardenschweren Mobilfunkunternehmen schutz-, rechtlos mit toxischer Mikrowellentechnik bestrahlt. Für machen Betroffenen bedeutet das bereits zum zweiten Mal Flucht und Vertreibung in Zeiten des Friedens.

Ja höher eine Mobilfunkanlage, desto besser. Wäre demnach zum Beispiel der Gärtringer Kirchturm mit einer Höhe von 38 Metern ein idealer Standort?

Wenn denn die Anlagen in 38 Höhe betrieben würden, wäre das besser als ein niedriger Standort. Aber die Anlagen in St. Veit sind in nur 18 Meter Höhe montiert und der Kirchturm steht dann noch an niedriger Stelle mitten im alten Ortskern. Grundsätzlich gilt: Sehr hoch, und damit meine ich 60 Meter oder höher und/oder weit weg ist bei der aktuellen Antennenauslegung aus strahlenhygienischer Sicht zur Zeit die einzige Möglichkeit, das Schlimmste zu verhindern.

Welches sind Ihrer Meinung nach allgemein optimale Standorte für Mobilfunk-Anlagen in Gemeinden, damit jeder damit leben kann.

Frankreich führt zurzeit in 16 Städten den Versuch einer Minimierung durch Vergleichsmäßigung durch. Viele kleine Funkzellen sehr geringer Leistung sollen die gesellschaftlich gewünschte Mobilfunkversorgung sicherstellen. Mit einer maximal zulässigen Strahlungsdichte, die bei einem Zehntausendstel der deutschen Grenzwertehöhe liegt, werden nicht nur die direkten Anwohner der Sendeanlagen sehr, sehr viel geringer bestrahlt, sondern auch die mobil Telefonierenden werden durch schwächer sendende Handys weniger belastet. Dieser Ansatz ist für einen Übergang verfolgenswert. "Damit jeder damit leben kann", werden wir aber nicht umhin kommen, eine komplett neue, nicht krank machende Mobilfunk-Technologie zu entwickeln, so wie es beispielsweise der BUND und die Verbraucherschutzorganisation Diagnose-Funk unmissverständlich und gut begründet fordern.

Studien der WHO besagen, die Strahlung von Mobilfunk-Anlagen und Handys sei für Menschen ungefährlich. Was ist Ihre Meinung dazu?

Fast alle unabhängig arbeitenden Experten und internationale, industrieunabhängige Institutionen wie zum Beispiel die ICEMS, BIOINITIATIVE, RICNIRP, die EU-Kommission zur Technikfolgenabschätzung, die Europäische Umweltagentur, die Österreichische Unfallversicherungsanstalt, die Wiener Ärztekammer aber auch die deutschen Rückversicherer wie die e+s Rück aus Hannover sagen das genaue Gegenteil. Und dies ist auch meine Alltagserfahrung im Rahmen der baubiologischen Messtechnik. In Zusammenarbeit mit Ärzten und Therapeuten sehen wir unzweideutig: Menschen werden krank durch Mikrowellenbestrahlung und gesunden bei Deexposition.

Die offizielle Behauptung, es gäbe keine relevanten biologischen Effekte unterhalb der Grenzwerte, ist als wissenschaftliche Falschinformation anzusehen und die deutschen Grenzwerte sind die Ersatzhaftpflichtversicherung der Betreiber.

Die Hauptschwierigkeit, dies zu verstehen, liegt unter anderem darin, dass wir uns nicht vorstellen können, dass der Staat und eine ehrwürdige Institutionen wie die WHO uns gezielt desinformieren. Doch die Antwort ist ganz einfach: Qui bono?, also wem nutzt es, wenn etwa fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts mit klar steigender Tendenz über die Produkte und Anwendungen der mobilen Kommunikationstechniken erwirtschaftet werden? Noch ist es Politik, diesen Markt zu schützen - wenn nötig mit allen Mitteln. Wer mehr dazu wissen will: www.mobilfunkstudien.de.

Herr Gutbier, besitzen Sie selbst ein Handy?

Seit dem ich mich intensiv mit Thema beschäftige, habe ich kein Handy mehr. Ich würde gerne eines nutzen - aber nicht zu diesem Preis.

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